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Libertäre Rundschau

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Kurt Kowalsky:

Durch den Parlamentarismus zur Freiheit?

Durch den Parlamentarismus zur Freiheit?Ist es möglich, mit Argumenten parlamentarische Wahlen zu gewinnen, diese Gewinne auszubauen, um so die nach parlamentarischen Regeln erlangte Macht nicht zu »missbrauchen«, sondern dafür einzusetzen, den Menschen ihre Freiheitsrechte zurückzugeben? Nachfolgend soll belegt werden, dass jedes demokratische Prinzip, dem sich Menschen nicht freiwillig unterwerfen, widerspruchsfrei nicht begründet werden kann.


»Wir hatten die große Wahrheit erkannt, dass die Quelle der Macht keine Gewehre, keine Panzer und keine Atombomben waren. Die Macht ist abhängig vom öffentlichen Gehorsam, von der Bereitschaft, sich zu unterwerfen. Deshalb reduzierte jeder Einzelne, der seine Unterwerfung verweigerte, die Gewalt um einen Anteil von einem 250 Millionstel. …

Wir sind nicht in das Spiel der Politik eingetreten, wir haben keine Programme für die Befreiung des Volkes zusammengestellt, wir haben keine Gewerkschaften gegründet. … Unsere einzige Waffe war die Bekanntheit. Nicht Propaganda, sondern die öffentliche Bekanntheit, sodass niemand hinterher sagen konnte: ‚Davon wusste ich nichts.‘ Der Rest hing am Gewissen von jedem Einzelnen. Wir haben keinen Sieg erwartet – es gab nicht die geringste Hoffnung, unser Ziel zu erreichen. Aber jeder von uns sehnte sich nach dem Recht, zu unseren Nachkommen sagen zu dürfen: ‚Ich habe alles getan, was ich tun konnte. Ich habe nie gegen mein Gewissen gehandelt.’«

– Wladimir Bukowski, sowjetischer Dissident – (1)


Der Begriff Anarchie kommt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie »Nichtherrschaft«. Anarchisten wollen weder beherrscht werden, noch werden sie illegitime Herrschaft befürworten können, ohne mit sich selbst in Widerspruch zu geraten.

Doch auch Anarchisten benötigen Ordnung. Anarchisten sind keine Chaoten. Nur sollte eine solche Ordnung auf Freiwilligkeit beruhen. Für viele Menschen ist Ordnung, welche nicht vom Staat garantiert wird, nicht vorstellbar.

Obwohl alle politischen Akteure mit dem Begriff »Freiheit« jonglieren, haben sie zum Teil antagonistische Vorstellungen darüber. Die Freiheit der Meinungsäußerung wird in den Demokratien angloamerikanischer Prägung mit gewissen Einschränkungen aber gewährt. So liegt die Idee nahe, auf parlamentarischem Wege Mehrheiten gewinnen zu wollen, um so mehr Freiheiten, weniger Bürokratie, weniger Zwang, niedrige Steuern etc. zu erreichen.

Der sozialistische Schriftsteller und Politiker Ferdinand Lassalle prägte für einen Staat, der sich lediglich auf den Schutz der persönlichen Freiheit und des Eigentums beschränkt, den Begriff »Nachtwächterstaat«. Im Gegensatz dazu bekennen sich führende Sozialdemokraten auch heute noch offen zu einem starken Staat.

Als ich diese Forderung jüngst im Zusammenhang mit Problemen des Öffentlichen Nahverkehrs in Berlin vernahm, wurde mir auch der historische Zusammenhang bewusst. Will man irgendwelche Juden oder andere Missliebige »nur zum Bahnhof begleiten« (und weiß sonst von nichts), benötigt man unbedingt einen starken Staat und eine funktionierende staatliche Eisenbahn. (Siehe: »Mit dem Arsch auf der Führerlimousine«)

Keine Angst! Geschichte wiederholt sich nicht. Nur Gewalt, Enteignung, Entmündigung, Zwangsarbeit, Krieg und mit diesen Phänomenen verbunden Lügen und Täuschung sind wiederkehrend.

Umgekehrt musste ich lesen, dass die »Bestimmung der Menschheit« im Erkennen dieser Zusammenhänge läge. Ist es also so, dass die Parlamente die Bühne dafür abgeben, einen fairen Wettbewerb der Ideen auszutragen? Wenn dann »bestimmungsgemäß« die Freiheit siegte, schritten die potenziellen Gewaltherrscher »Seit an Seit« ins parlamentarische Abseits der Bedeutungslosigkeit.

Nun, ich weiß nicht, was die Bestimmung der Menschheit ist, und möchte mich hier auch nicht mit Spekulationen lächerlich machen. Ich weiß aber, dass ich und viele meiner Freunde die Herrschaft des Staates als ungerechtfertigte Aggression ablehnen. Das ist nicht eine oder meine politische Meinung, sondern eine philosophische Erkenntnis.

Weit davor, so denke ich, gibt es gute utilitaristische Argumente, dass eine tatsächlich freie Marktwirtschaft, eine tatsächliche freie Präferenz der Person – in den Grenzen der persönlichen Freiheit und des Eigentums – zur maximalen Konfliktfreiheit und zur maximalen Wohlfahrt in einer Gesellschaft führte.

Ist es also möglich, mit Argumenten parlamentarische Wahlen zu gewinnen, diese Gewinne auszubauen, um so die nach parlamentarischen Regeln erlangte Macht nicht zu »missbrauchen«, sondern dafür einzusetzen, den Menschen ihre Freiheitsrechte zurückzugeben? Diejenigen, welche libertäre Parteien gründen oder ihnen anhängen, haben diese Überzeugung.

Nachfolgend soll belegt werden, dass ein solches Vorgehen einerseits zum Scheitern verurteilt, andererseits ebenso verwerflich wie das derzeitige parlamentarische System selbst ist. Jedes demokratische Prinzip, dem sich Menschen nicht freiwillig unterwerfen, kann widerspruchsfrei nicht begründet werden. So ist auch jeder Volksentscheid, welcher für Personen verbindlich sein soll, die sich nicht ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten dem anstehenden Entscheid unterwerfen, »illegitim«.

Es bietet sich an, das parlamentarische System zu analysieren und die Mechanismen offenzulegen, welche sich im Diskurs zwischen den Ergebnissen von Parlamentswahlen und den konkreten parlamentarischen Entscheidungen manifestieren. Es soll dargelegt werden, dass die der Macht innewohnende Gewalttätigkeit nur im Zusammenhang mit der entsprechenden fadenscheinigen Legitimierung hinreichend erfasst und beurteilt werden kann.

Die in bestimmten Zusammenhängen vorgenommene Adjektivierung »faschistoid« stellt folglich keine explizite Abgrenzung zu den entsprechenden politischen Bewegungen dar, sondern ist als Kategorisierung für jede Form von Autorität zu verstehen, die mittels Gewaltandrohung aufrechterhalten wird oder diesen Anspruch erhebt.

***

Betrachten wir zuerst die parlamentarische Ordnung – das sind die Regeln, denen sich die Parlamentarier in den jeweiligen Parlamenten und Gremien unterordnen. Hier sind die Voraussetzungen der Freiwilligkeit, ähnlich wie in einem Karnickelzüchterverein, erfüllt. Es gibt keinen Parlamentarier, der gezwungen würde, dort ein Mandat wahrzunehmen.

Der Mandatsträger selbst aber bezieht bereits sein Einkommen (die sog. Diäten) nicht gerechtfertigt im Sinne widerspruchsfreier moralischer Prinzipien. Denn sein Einkommen speist sich aus Mitteln (nämlich Steuern), die zwangsweise all denen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den die von den Parlamentariern selbst gesetzten Regeln (Gesetze) die Leistungspflicht knüpft. Wäre ein solches Vorgehen allgemein zu rechtfertigen, wäre auch an einer Schutzgelderpressung der Mafia nichts auszusetzen.

Aber die Parlamente sind mehr als eine Quasselbude mit Hausordnung. Der Parlamentarismus ist die weltweit bevorzugte Herrschaftsform, der die Staatsmacht legitimieren soll. Hier hat das Volk die Möglichkeit, bestimmte Personen in ein Parlament zu wählen, welche dann für eine bestimmte Zeit die Gesetze verabschieden sowie die Kontrolle der von ihr bestimmten Regierung übernehmen.

Auch wenn diese sogenannten Volksvertreter nicht von den Parteien nominiert wären, sondern direkt aus dem jeweiligen Wahlkreis von deren Wählern bestimmt würden, muss bezweifelt werden,

– dass die bestimmende Mehrheit einen diesbezüglichen homogenen Willen mit dieser Wahl äußert,

– dass irgend eine Mehrheit des Volkes (oder Wahlkreises) der unterlegenen Minderheit ihren Willen aufzwingen darf.

Artikel 20 des Grundgesetzes, indem es heißt: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus«, ist folglich nicht minder bedrohlich als jede andere Ansage, welche Gewalteinwirkung von willkürlichen Ursachen abhängig macht.

Wird ein Mensch zum Beispiel vom Blitz getroffen, so ist das die Folge einer hinreichend erforschten Kausalität. Doch aus der Perspektive des Betroffenen kommt diese Gewalteinwirkung zufällig und überraschend. Will eine Masse von Menschen irgend etwas zum Nachteil anderer und stellt dies zur Abstimmung, hat das Abstimmungsergebnis ebenfalls irgendwelche Ursachen, ist jedoch aus der Perspektive der Betroffenen ebenfalls willkürlich. (Zur Legitimation des Staates siehe auch: »Das Gewaltmonopol des Staates und die widerwärtige Instrumentalisierung apathischer Majoritäten.«)

 

Die Friktionen des Parlamentarismus sind rein mentaler Natur

Nur Individuen haben einen Willen. Könnten Volksmassen einen Willen haben, wären die Toten infolge einer Massenpanik »gewollt«. Könnten Massen nach eigenem Wollen und Wünschen entscheiden, müsste in einer größer werdenden Masse systematisch die Informiertheit der sie bildenden Elemente zunehmen, und sei es nur aus dem Grund, feststellen zu können, dass das Wollen der anderen Elemente mit dem eigenen Wollen nicht mehr übereinstimmt, man sich deshalb von den anderen trennen muss.

Selbstverständlich ist das Verhalten, die Bewegung von Massen, binär schematisierbar, sodass sich ihr beobachtbares Verhalten nach »richtig-falsch« oder »ja-nein« als Phänomen niederschlagen kann. Doch die Voraussetzung von Wollen ist eine Handlungskontrolle, die bis zur Zielerreichung aufrechterhalten werden muss, sodass Abweichungen jederzeit korrigiert werden können. Fehlt die Kontrolle über die eigene Handlung und der damit beabsichtigen Wirkungen, weil die notwendigen Informationen nicht mehr beim Element ankommen oder nicht mehr verarbeitet werden können, kann auch nicht mehr von einer Willensentscheidung gesprochen werden. Der sich so aufdrängende kalkulierte Informationsverzicht der einzelnen Elemente ist durchaus rational. Die simplen, schlagwortartigen, sich ständig wiederholenden Botschaften in den Wahlkämpfen belegen, dass die Initiatoren von Wahlen die Informationsherrschaft der einzelnen Elemente erst gar nicht beabsichtigen.

Die Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen Entropieforschung belegen eindeutig, dass jede Entropiezunahme die Veränderungsfähigkeit eines Systems verringert. Der Parlamentarismus, der den Informationsmangel und die Desinformation als Mittel zum Systemerhalt verwendet, kann folglich aus eigener Kraft überhaupt nicht mehr verändert werden.

Würde aber auch nur der vermeintliche Wille einer relativen Mehrheit des Volkes im Parlamentarismus exekutiert werden, müsste man annehmen, dass zumindest dieser Wille mit einer bestimmten Ernsthaftigkeit und Klarheit formuliert ist und die zur Durchsetzung beauftragten Personen an den erreichten Zielvorgaben gemessen werden.

Drei Kreuze ersetzten schon immer die Unterschrift der Ungebildeten, die damit Dinge beglaubigten, welche sie selbst weder lesen, geschweige denn verstehen konnten.

Zwei Kreuze genügen in der Regel dem Parlamentarismus, um propagieren zu können, dass »die Wähler« die nachfolgend exekutierte Politik »gewollt« hätten.

Dementsprechend »wollen« zum Beispiel die Pazifisten in einer Gesellschaft, dass man mit ihrem Geld Milliarden für Waffen ausgibt; oder die Unternehmer »wollen«, dass sie für den Staat kostenlos die Buchführung und Abrechnungen machen müssen; die Bürger »wollen«, dass die verabschiedeten Gesetze unverständlich sind ... Bereits diese Beispiele zeigen, dass das Herrschaftssystem den Willen der Individuen vergewaltigt, anstatt sich nach ihm zu richten.

Würde man in einer Kneipe die betrunkenen Gäste abstimmen lassen, ob der Wirt Freibier auszuschenken hat, gäbe es wenigstens noch einen Zusammenhang zwischen dem überstimmten Opfer und dem Wollen der Profiteure.

Doch die Friktionen des Parlamentarismus sind rein mentaler Natur. Die Wähler kennen die in ihrem Wahlkreis aufgestellten Kandidaten meist überhaupt nicht. Noch fühlt sich einer dieser sogenannten Volksvertreter zur Vertretung seiner Wähler verpflichtet. Es ist auch schlechterdings nicht möglich.

 

Jede Perversität erscheint möglich

 Niemand, auch kein Volk, kann gerechtfertigterweise einen Auftrag erhalten haben, der besagt: »Ich beauftrage dich, mich zu Dingen zu verpflichten, von denen ich ausdrücklich erklärt habe, dass ich sie nicht übernehmen will und sie auch nicht ausdrücklich übernommen habe.«

Doch die Absurditäten sind steigerungsfähig. Alle haben scheinbar den Auftrag erteilt, den Staat jedes Jahr auf Kosten ihrer Kinder noch etwas höher zu verschulden. Und alle haben angeblich die Parlamentarier beauftragt, sich klammheimlich aus dem Staatshaushalt ihre eigenen Bezüge und Altersversorgungen großzügig zu sichern.

Der Mensch ist weder a priori gut, noch ist er frei von Perversitäten. Trotzdem herrschte pures Entsetzen über eine Selbstschussanlage, die immer dann einen Unschuldigen tötet, drückte irgendwer – unbemerkt, aber willentlich – einen bestimmten Knopf. Zu erkennen, dass in jedem vom Parlament beschlossenen militärischen Kampfeinsatz – und dem damit verbundenen Einsatz von Kriegswaffen – eine  derartige Perversität bereits codiert ist, bleibt den Nullen verwehrt, während sich der Rest der Bevölkerung des Sprachgebrauchs der Machthaber bedient, um ihre Billigung zu konfabulieren. Mit Dummheiten wie »nie wieder Auschwitz« lebt es sich dann zwischen Biomüsli und Rotwein auch als akademischer Kriegstreiber ganz entspannt im Hier und Jetzt.

Und weit vor diesen Ungeheuerlichkeiten glaubt der Ökoaktivist »ein Recht« darauf zu haben, dass sein Nachbar seine ineffiziente Solaranlage über den Strompreis mitzufinanzieren hätte. Müssten die Nachbarn infolge dieser Entscheidung persönlich gefragt werden, ob sie denn bereit sind, jetzt die Kosten dieser Anlage über ihren Strompreis mitzutragen, bekämen die Befragten wohl einen Lachkrampf. Erst das mit Gewalt drohende Gesetz versetzt den einen in die Lage zu »glauben«, mit einkalkulieren zu »dürfen«, dass Unbeteiligte seine Entscheidung mitzutragen hätten. Den meisten Menschen wird überhaupt nicht bewusst, dass sie hier ungerechtfertigt handeln, sie befinden sich moralisch in einem Verbotsirrtum. Andere wiederum haben eine derartige faschistoide Nötigung vom Gesetzgeber bewusst eingefordert.

Gleiches gilt im Sozialbereich. Wer für sich oder seine Familie etwas Gutes tun will, in dem er einen Wohlhabenden ausraubt, macht sich strafbar. Wer aber seine faule Hand erhebt, um mit Hilfe der Staatsgewalt den Menschen ihr Geld wegzunehmen, um ein geringeren Anteil an andere zu verteilen, gilt als sozial verantwortlicher Mitbürger.

In Wirklichkeit verantwortet niemand auch nur irgendetwas. Die Handlungsfolgen der Wahlen sind unbestimmt, stehen oft sogar im Gegensatz zu den vage suggerierten Versprechungen. Wer wollte schon den Analphabeten für seine Kreuzchen unter einem Vertrag verantwortlich machen, dessen Inhalte erst geschrieben werden, hat er seine »Unterschrift« bereits geleistet?

Und was bedeutet konkret Verantwortung, wenn diejenigen, welche sie in den Regierungen angeblich übernehmen, im Höchstfall mit Übergangsgeld und Versorgungsansprüchen von ihrem Amt zurücktreten? Folglich nimmt man diese Art von Verantwortung nur deshalb an, weil man sich sicher sein kann, dass eigenes Handeln ohne negative Folgen ist. Die so verdeutlichte Verantwortungslosigkeit ist also kaum Folge einer wie auch immer zu formulierenden Regelungslücke, sondern struktureller Bestandteil von illegitimen Herrschaftssystemen.

Während bereits ein Hund einfache Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge instinktiv erkennt (zuerst kommt das Betteln, dann kommt die Wurst), fühlt sich der in einem Herrschaftssystem Handelnde erst gar nicht verpflichtet, erkennen zu müssen, welche Auswirkungen seine Handlungen haben. Im Gegenteil: Eine Beschränkung auf die ihm zugängliche Dimension (Ich will und du musst) macht ihn augenblicklich handlungsunfähig. So muss sich zum Beispiel ein Betriebsprüfer eines Finanzamtes wohl ständig vergegenwärtigen, dass er die mit seiner Kontrolle verursachten schikanösen Zumutungen nicht persönlich verschuldet.

Jede Herrschaft erfordert eine auf Dauer angelegte Über- und Unterordnung. Dabei ist es philosophisch irrelevant, zum Beispiel als Außenstehender ergründen zu wollen, warum der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft mit dem eingesetzten Vorstand ins Bordell geht, anstatt ihn zu kontrollieren. Geht das Unternehmen bankrott, so sind nur diejenigen betroffen, die mit dem Unternehmen verbunden waren. Man braucht als Aktionär nicht zuzusehen, wenn eine desolate Unternehmensführung das Kapital verspielt, man muss auch bei einem derartigen Unternehmen nicht angestellt sein oder mit der Firma Geschäftsbeziehungen unterhalten. All das geschieht freiwillig und kann genauso jederzeit gekündigt werden wie die Mitgliedschaft im erwähnen Karnickelzüchterverein.

Verliert der Aktionär beim Verkauf seiner Aktien Geld, der Arbeitnehmer mit der Kündigung seinen Job oder der Zulieferer mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehung einen Kunden, so kann das im Einzelfall sehr schmerzhaft sein, sollte jedoch nicht davon ablenken, dass alle Beteiligten dieses Risiko gekannt haben, bevor sie ein wie immer geartetes Abhängigkeitsverhältnis freiwillig eingingen.

Ob eine Herrschaft legitim oder illegitim ist, entscheidet sich primär nicht am Procedere, mit dem sich die Machthaber zu legitimieren versuchen, sondern an der freiwilligen Unterordnung und der Möglichkeit der jederzeitigen Revision dieser Entscheidung.

In logischer Konsequenz ist es also irrelevant zu untersuchen, ob fünf, fünfhundert oder fünf Millionen Bürger sich der parlamentarischen Herrschaft unterwerfen und die damit verbundenen Misslichkeiten und Absurditäten hinnehmen oder versuchen, diese abzustellen, solange sie jederzeit diese »Mitgliedschaft« kündigen können bzw. die nicht beteiligten Bürger erst gar nicht gezwungen werden, sich entsprechend zu unterwerfen.

Nun werden Menschen in das jeweils herrschende Machtsystem hineingeboren. Spätestens dann, wenn sie eigenverantwortlich entscheiden können, entscheiden sie auch, mit welcher Ordnung sie sich arrangieren, gegen welche Herrschaft sie sich wehren und gegen welche Herrschaft jeder Widerstand ihnen zwecklos erscheint. Der herrschende Parlamentarismus gehört zweifelsohne zu der Kategorie von Gesellschaftssystemen, gegen die jeglicher Widerstand nicht nur verboten ist, sondern die zur Kollaboration mit dem Staat zwangsverpflichteten Unternehmer auch mit existenzieller Vernichtung bedroht sind. (Dies geschieht regelmäßig über das Mittel der Gewerbeuntersagung.)

Durch Beobachtung des Phänomens einer ohne Protest ausgeführten Handlung ist das ihr zugrunde liegende Zwangspotenzial nicht zu ergründen, wer jedoch an den von den Machthabern angebotenen Legitimationsverfahren teilnimmt, stimmt bereits durch diese Teilnahme der Auffassung zu, dass es so etwas wie eine Geschmacksfrage wäre, jemanden, der sich einer Anordnung widersetzt, existenziell zu vernichten oder eben nicht.

»Parlamentarischer Liberalismus gleicht einer Hure, welche den Männern den Geschlechtsverkehr durch Geschlechtsverkehr abgewöhnen will.«

Während die sozialistischen Machtsysteme an einer systemimmanenten Ineffizienz leiden, sich letztendlich nur durch Zwangsarbeit einige Zeit am Leben erhalten konnten, gründen sich alle nach angloamerikanischem Strickmuster erzwungenen Demokratien auf dem Gedanken der persönlichen sowie der unternehmerischen Freiheit. Von der durch Konkurrenzdruck entstehenden Effizienz und Prosperität profitieren nicht nur die Bürger, sondern zwangsläufig die Staaten, welche parasitär ihre Steuersysteme an Umsatz, Einkommen und Vermögen koppeln.

Ein Staat, dessen Apparatschiks sich lediglich auf das prozentuale Abkassieren von Profiten beschränkte, hätte vernünftigerweise großes Interesse daran, dass seine Untertanen zivilisiert zusammenleben, nicht von räuberischen Banden bedroht werden und keine fremde Macht das entsprechende Gebiet okkupiert, um selbst abzukassieren. Denn müssen die Bürger Tag aus Tag ein zum Beispiel zehn Prozent mehr arbeiten, als in ihrem eigenen Interesse ist, weil eben ein bestimmter Anteil der persönlichen Leistung parasitär von den Apparatschiks abgeschöpft wird, muss dieser Staat für Ruhe unter den Frondienstleistenden sorgen. Nachhaltige Ausbeutung ist nur in geordneten Verhältnissen möglich.

Die Schwierigkeiten entstehen damit, dass auch der sogenannte Zehnte im Volk Widerstand hervorruft. Gewöhnliche Räuber erleben, dass sich ihre Opfer auch dann verzweifelt zur Wehr setzen, geht es nur um geringe Beträge. Jeder Machthaber bekommt somit auf Dauer ein Legitimationsproblem. Deshalb beriefen sich traditionelle Monarchien auf das Gottesgnadentum. Das ist heute nicht mehr glaubwürdig, sodass man den »archimedischen Punkt« der Legitimationsbegründung im Irdischen suchen musste. Die simpelste Legitimation wäre die bessere Bewaffnung. Doch keine Herrschaft wird sich auf Dauer ausschließlich auf die Macht der Gewehre stützen können.

Die Profiteure des Parlamentarismus adaptierten ihre Legitimation am Bedürfnis des Massenmenschen, auch einmal als Persönlichkeit wahrgenommen, gefragt zu werden und mitsprechen zu dürfen.

Das ist quasi René Descartes’ »Cogito ergo sum« für Dummschwätzer. Frei jeder Skepsis, der Analyse und Konstruktion unfähig, rekursions­aversiv, können nun Hinz und Kunz ihre Erkenntnisdefizite amtlich dokumentieren lassen. Je nachdem, welche Null welche Null ankreuzt, hat man entweder »gewonnen« oder eben seinen Widerspruch dokumentiert. Wieder analog zur Kneipe, darf der Wirt ebenfalls eine Stimme abgeben. Wird er dann jedoch überstimmt, muss er auch seine Niederlage eingestehen.

Der Ungeist der Demokratie machte aus Descartes’ »Ich denke, also bin ich« ein »Ich bin, also stimm ich«.

Die mit dem Wahlakt exekutierte Machtfülle erreicht die Ungeheuerlichkeit des oben erwähnten Mechanismus, mit dem man einen Unschuldigen liquidieren kann. Zumindest liefert das geheime Ankreuzen eine Ahnung der Allmacht, die man je nach individueller Obsession benötigte, um seine Interessen gewaltsam auf Kosten anderer durchzusetzen. Es gibt kaum einen perversen, faschistoiden Ansatz, der nicht in einem Parteiprogramm offen niedergeschrieben wäre, zumindest aber vage denen versprochen würde, welche ihn sich wünschen.

Die Frage nach der Legitimität des eigenen Verlangens ist dabei genauso irrelevant, wie die eingangs gestellte Frage, ob eine relative Mehrheit einer Minderheit ihren Willen aufzwingen darf. Legitim ist, was das Parlament beschließt, denn dieses hat ja zuvor allgemein, frei und geheim jeden Einzelnen im Volk befragt bzw. ihm die Gelegenheit gegeben, seine Ansicht zu dokumentieren.

Eine derart konstruierte, grotesk lächerliche Dimension ins Ungefähre kann intellektuell genauso wenig gerechtfertigt werden wie eine Regel, die besagt, wer sich die größere Zahl ausgedacht hätte, wäre der Gewinner. Ein Furzwettbewerb ist dagegen eine epistemologische Höchstleistung.

Doch aus der Bewegung fehlschlüssiger Massen kann nur die Bewegung selbst erkannt werden. Daraus zu folgern, dass die sie jeweils bildenden Teilmengen und Elemente allesamt irrationale Idioten wären, ist a priori nicht haltbar.

Aus der Stimmabgabe des Einzelnen leiten die Propagandisten des Systems nicht nur ab, dass es die Wähler anerkennen, sondern auch, dass die Nicht-Wähler durch ihre bewusste Passivität dem System vertrauen. Denn würden die Nicht-Wähler Veränderungsbedarf für notwendig erachten, würden sie ja wählen gehen.

Natürlich kann man mit einer derartigen Logik auch beweisen, dass durch das längere Anhalten der Luft das Treppenlicht ausgeht. Vermutlich würde aber eine Wahlpflicht offenlegen, dass nur ein kleiner Prozentsatz der so genötigten ehemaligen Nicht-Wähler die Inszenierung des Parlamentarismus durchschaut haben und folglich mit einer ungültigen Stimme die Wahl zu sabotieren versuchten.

Die rot-braune Orientierung

Welcher Prozentsatz heutiger Wähler durch ihre gültige Stimme irgend einen potenziellen Schrecken abzuwehren gedenkt, kann ebenfalls nur spekuliert werden. Tatsache ist jedenfalls, dass die medial inszenierten Schreckgespenste der braunen oder roten Gefahr gegen die »Freiheit« substanzlos sind.

Grundsätzlich ist bereits der Gegensatz zwischen den sogenannten roten und den sogenannten braunen Extremisten lediglich marginal. Beide Lager propagieren in ihren Kampfliedern die »Freiheit«. Während die einen »Brüder zur Sonne zur Freiheit« singen, heißt es in der Parteihymne der NSDAP, dem Horst-Wessel-Lied: »Es schau’n aufs Hakenkreuz voll Hoffnung schon Millionen. Der Tag für Freiheit und für Brot bricht an.«

Die ideologischen Vorstellungen beider Lager sind ohne einen starken, omnipotenten Staat nicht realisierbar. Da sich beide Lager als sozialrevolutionär verstehen, sind es Bewegungen, welche auf den Zuspruch sozial benachteiligter Massen reflektieren. So grenzt sich auch das Horst-Wessel-Lied gegen die »Reaktion«, also nach rechts, ab. Aus heutiger Perspektive wähnt wohl kaum jemand einen Monarchisten rechts der sogenannten Rechtsextremisten, doch im Selbstverständnis zumindest der damaligen SA standen die Nationalsozialisten links von den Konservativen, den Bürgerlichen und den Monarchisten. Gemeinsam sind rot und braun die Gewaltbereitschaft und eine entsprechende Verherrlichung gewaltsamer Mittel zur Durchsetzung der »berechtigten Interessen der Mehrheit«.

Jede sozialrevolutionäre Bewegung besitzt eine rechnerische Mehrheit. Warum? Jede signifikant große Gruppe von Leistung erbringenden Personen lässt sich – auch bei gleichen Anfangsbedingungen – nach einiger Zeit nach ihrem individuellen Wohlstand kategorisieren. Das ist nicht weiter verwunderlich, weil jede Person sich in Leistungswillen und Leistungsbereitschaft von der anderen differenziert. Addieren sich zur erbrachten, akkumulierten Leistung Faktoren wie persönliche Investitions- und damit Risikobereitschaft, so sind die anschließenden Ergebnisse wohl nicht zufällig, doch auch nicht in Kategorien wie faul oder fleißig zu fassen.

Nun ist es nur noch eine Frage der Arithmetik, besser: des mathematischen und politischen Kalküls, die Kategorisierung so zu treffen, dass eine Mehrheit der Leistungsträger in Relation zur verbleibenden kleineren Gruppe »arm« ist. Da Armut im Selbstverständnis der meisten Sozialbewegungen keine (sic) kausale Folge persönlicher Entscheidungen ist, sondern Schicksal (das weiß sogar mancher Alkoholiker besser), ist es angebracht, die so kategorisierten Individuen über ihren materiellen Wohlstand, ihr Einkommen zu verbinden (sozial, von lat. socius »gemeinsam, verbunden, verbündet«).

Dass diese so geschaffene Mehrheit »berechtigt« ist, alles zu unternehmen, sich aus ihrem »Elend zu erlösen« (Textpassage aus dem Kampflied der Sozialisten), versteht sich genauso selbstverständlich wie die These, dass eine Mehrheitsentscheidung der unterlegenen Minderheit ihren Willen aufzwingen darf, obwohl die Gezwungenen diesem demokratischen Prinzip vor der Abstimmung nicht zugestimmt haben.

Wenn heute ein gewisser Teil der Wähler sein sogenanntes Wahlrecht nur deshalb wahrnimmt, um linken und rechten Extremisten parlamentarisch Einhalt zu signalisieren, ist dies eine Verkennung der parlamentarischen Orientierung und Blickrichtung.

Denn ein Wahlergebnis darf nicht als Dokumentation einer unsinnigen Beschäftigungsmaßnahme verstanden werden, sondern hat für die Profiteure des Parlamentarismus die Funktion, die oben verdeutliche Arithmetik – das mathematische und politische Kalkül – zu adaptieren und die eigene Position entsprechend neu zu justieren.

Lediglich die propagandistisch konstruierte Dimension, die Parlamentarier würden den vermeintlichen Willen der Wähler umsetzen, ist grotesk lächerlich. Die Wahl selbst ist für die Machthaber ein ernsthaftes (modernes) Mittel zum Machterhalt.

Mit einer nicht geheimen oder das politische Spektrum des Wahnsinns nicht abdeckenden Parteienlandschaft ist den Profiteueren der Macht nicht gedient. Einerseits suggeriert ein breites Parteienspektrum den Individuen, dass jede Idee (so auch ihre persönliche) erlaubt ist, aber leider in der Gesellschaft nicht mehrheitsfähig sei. Andererseits zeigen Wählerwanderungen, welcher politische Trend derzeit zu thematisieren, zu moderieren und entsprechend aufzufangen ist.

Soll die Macht nur durch die Regel erlangt oder gesichert werden, erlangt man zumindest 51 Prozent der Wählerstimmen, so ist einer wesentlich größeren Mehrheit zu signalisieren, dass man bereit ist, genau ihre Wünsche zu erfüllen.

Folglich kann obige sozialfaschistoide Matrix, nach der stets die Mehrheit einer pluralistischen Gesellschaft benachteiligt ist, nicht ignoriert werden. In der Logik der Mehrheitsbeschaffung ist die arithmetische Grenze zwischen »benachteiligt und unverschuldet arm« zu »bevorzugt und unverdient reich« bei den wenigen Multimillionären in der Gesellschaft zu ziehen und den verbleibenden Rest als benachteiligt zu kategorisieren.

Eventuelle Verluste des sogenannten sozialdemokratischen Lagers (in Deutschland: Die Linke, die Grünen, die SPD) stellen folglich keinen Sieg des sogenannten konservativen/liberalen Lagers (CDU/CSU und FDP) dar, sondern sind Indiz für den Verrat der von diesen Parteien propagierten Grundsätze.

Nicht leicht zu verstehen. Doch sowohl logisch als auch empirisch einfach nachweisbar. Die Logik ergibt sich aus der Arithmetik, der empirische Beweis ist durch die Analyse der über die Jahrzehnte erfolgten Wahlkämpfe in Differenz zum danach exekutierten Regierungshandeln zu belegen. Kaum eine politische Maßnahme, die von der Opposition bekämpft wurde, wurde anschließend mit der eigenen Amtsübernahme dauerhaft revidiert.

Grundsätzlich wird EINE Politik exekutiert und diese orientiert sich vage an den vermeintlichen Erkenntnisdefiziten, Obsessionen und Sozialfantasien eines möglichst breiten arithmetischen Mittels der potenziellen Wählerschaft. Stets wird dabei die Freiheit besungen, stets werden auch die größten Zumutungen mithilfe von Gewalt bzw. Gewaltandrohung durchgesetzt und stets signalisiert man, dass diese Maßnahme ein weiterer Schritt in Richtung Gerechtigkeit, folglich zur Erlösung der Benachteiligten, sei.

Der Ökonom Josef Schumpeter (1883-1950) analysierte in »Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie«, Tübingen 1950, das Geschäft der Politiker und Intellektuellen mit Gefühlen wie Neid, Hass, Angst und Hoffnung. Er kam zu dem Ergebnis, dass besonders Journalisten, welche wohl nie Verantwortung tragen, aber mit dem gesprochenen und geschriebenen Wort gut umgehen können, den Groll der Massen anstacheln. Für den Kapitalismus - und damit für die Marktwirtschaft - entsteht somit eine bedrohliche, soziale Atmosphäre.

Joseph Goebbels hatte dies Jahre zuvor bereits intuitiv so ausgedrückt: »Weil wir die Sprache des Volkes sprachen, haben wir das Volk erobert.« 

Aber das alles sind eigentlich widersinnige Verstöße gegen die eingangs erwähnten Grundlagen, auf denen sich Demokratien nach angloamerikanischem Vorbild installiert haben: Das Volk profitiert von der Effizienz und Prosperität einer freien Marktwirtschaft, der Staat ist zwangsläufiger Nutznießer aufgrund seiner dadurch ebenfalls steigenden Steuereinnahmen und sorgt für geordnete Verhältnisse, weil nur so nachhaltige Ausbeutung für die Profiteure der Macht möglich ist.

Doch das dargelegte Problem der Legitimität des Machterhalts verbietet die Revision des politischen und somit immer auch wirtschaftspolitischen Einflusses der Plebs. Da das System des Parlamentarismus auch selbst gesetzte Werte ständig relativiert, hat es keine Mittel, Populisten jeder Schattierung abzuwehren. Die die Regierungsmacht stützende Mehrheit der Parlamentarier konnte ja selbst diese Position nur durch Populismus und späteren Wortbruch erlangen. Auch scheinbar unpopuläre Ankündigungen im Wahlkampf (Erhöhung der Umsatzsteuer um zwei Prozentpunkte) stellen sich nach der Wahl als Lügen heraus. (Es waren drei Prozent.) Doch der damalige Koalitionspartner SPD propagierte »keine Mehrwertsteuererhöhung«. Der parlamentarische Kompromiss lautet folglich: null Prozent plus zwei Prozent gleich drei Prozent.

Das oben bereits skizzierte Muster der sozialen Benachteiligung und massigen Verarmung, mit dem die politischen Ränder eigentlich kalkulieren, ist generell der »Igel« im Wettbewerb der Mainstream-Gauner. Läuft der rotbraune Hase durch das Dickicht der politischen Manipulationsmöglichkeiten, halten ihm die Konservativen, die Schwarzen und die Rosaroten bereits die Tafel hin: »Bin schon da!« Und schon fordern angeblich wirtschaftspolitisch orientierte Parteien den Mindestlohn oder sonst etwas, was selbstverständlich wieder in das Wertschöpfungspotenzial einer freien Marktwirtschaft eingreifen muss.

Das gleiche Spiel geht auch mit grünen Hasen. Haben sie mithilfe allerlei korrupter Experten eine gewisse Volksmenge verängstigt, rufen die schwarz-gelben Kernkraftbefürworter »Bin schon da!« und schalten die Atomkraftwerke ab.

Wer wählen geht, um die rotbraune, faschistische, ökofaschistische oder sonst eine suggerierte Gefahr für den Staat und die Gesellschaft abzuwenden, sollte erkennen, dass jede Forderung dieser offiziell verteufelten Gruppierungen von der sogenannten Mitte der parlamentarischen Profiteure im politischen Kalkül adaptiert wird, adaptiert werden muss, wollen sie die eigene Macht sichern bzw. verlorene zurückgewinnen.

 

 Von der Wohlstandillusion zur Schutzillusion

Die Eingriffe des Staates in das Wertschöpfungspotenzial der Marktwirtschaft sind selbstverständlich nicht folgenlos. Um die so verursachten Wohlfahrtsverluste zu kompensieren, sind neue staatliche Interventionen notwendig, die wiederum die Wertschöpfung belasten. Vereinfacht ausgedrückt: Wer als Sklavenhalter seine Legitimität aus der Zustimmung einer relativen Mehrheit der Sklaven herleitet, muss jedes Zugeständnis an diese von ihrer Arbeitsleistung zusätzlich abringen. Sind die Zugeständnisse im Saldo höher als die zusätzlich abverlangten Leistungen, resultiert dieser Wohlfahrtsgewinn, in Ermangelung anderer Möglichkeiten, aus Verschuldung.

In einer bilateralen Beziehung würde auch der dümmste Sklave irgendwann erkennen, dass die ihm vom Sklavenhalter zugestandenen Wohltaten zu einem höheren Grad sofort oder später wieder abverlangt werden. Die Angelegenheit also für ihn noch nicht einmal ein Nullsummenspiel ist, sondern sich immer nachteilig auswirken muss.

Nur durch die arithmetische Kategorisierung in sozial Benachteiligte und einen kleineren Rest, welche als Matrix unabhängig des Wohlstandsniveaus aufgrund disparitätischer Leistung- und Einkommensunterschiede immer existent ist, kann für eine bestimmte Zeit eine gewisse Wohlfahrtsillusion aufrechterhalten werden.

So setzt sich in allen parlamentarischen Systemen allmählich die Erkenntnis durch, die Wohlstandillusion durch eine Rechtsillusion zumindest teilweise substituieren zu können.

Damit rückt die sozialfaschistoide Matrix des selbstkonstruierten statistischen Elends in den Hintergrund der politischen Aufmerksamkeit. Jede noch so widersinnig erscheinende Obsession einzelner Gruppierungen wird aufgenommen, als Rechtsanspruch umformuliert, damit universalisiert, um dann im alten Wettstreit der politischen Gauner dem konkurrierenden, andersfarbigen Lager abzusprechen, genau dieses neu erfundene »Menschenrecht« dem Volke gewähren zu wollen. Jetzt verläuft das politische Kalkül nicht mehr parallel einer arithmetischen Linie, sondern kreuz und quer durch alle gesellschaftlichen Schichten.

Ob Antidiskriminierungs- oder Nichtraucherschutz, ob Datenschutz oder Kennzeichnungspflicht auf Lebensmitteln, ob Gen-, Strahlen- oder Vogelgrippephobien, Feinstaub im Büro oder Glühlampen im Haushalt abzuwehren sind, ist einerlei. Stets können die politischen Lager, bar jeder Verhältnismäßigkeit, ihre ordnungspolitische Durchsetzungskraft unter Beweis stellen. Ferner werden halbjährlich die bereits klassischen Felder der staatlich verordneten Bevormundung modifiziert: Mieterschutz, Arbeitsschutz, Kündigungsschutz, Mutterschutz, Umweltschutz, Klimaschutz ...

Jetzt macht das Wählen wieder Sinn. Während die einen durch ihre Stimme lediglich die Gefahr einer rotbraunen Diktatur abwenden wollten, die Leistungsträger und Nettoverlierer des Systems längst resignierten, mittels Wahl gegen das Umverteilungskalkül ankämpfen zu können, kann jetzt mittels Wahlentscheidung diejenige Partei belohnt werden, welche am glaubwürdigsten verspricht, die eigene Obsession zu befriedigen.

Der 1988 verstorbene Politiker Franz Josef Strauss karikierte in seiner Amtszeit die Anmaßungen von Grünenpolitikern, die zulässige Höchstgeschwindigkeit für Autos generell auf Tempo 30 zu reduzieren, indem er erzählte, wie es ihm ergangen sei, als er seinem Fahrer die Anweisung erteilte, mit Tempo 30 durch München zu fahren. Die entsprechenden Ökofaschisten empörten sich lautstark, Strauß hätte ihren vernünftigen Vorschlag bewusst in die Lächerlichkeit gezogen. Ihr Vorschlag des Tempo-30-Limits hätte sich lediglich auf Fußgängerzonen und Wohnstraßen bezogen, in denen sowieso in der Regel kein anderes Tempo möglich wäre. Heute, 2013, fordern die gleichen Figuren eine generelle Tempobeschränkung auf 30 Stundenkilometer, damit das Tempo »einheitlich« sei. Die einheitliche Schikane, einheitliche Bevormundung, einheitliche Anpassung und das einheitliche Duckmäusertum sind wohl seit März 1871 die Kredenzen, welche die deutschen Lande in einheitlicher Dumpfheit zusammenschweißen.

Wieder ist es in unserem Zusammenhang irrelevant, welche spezifischen Argumente den jeweiligen politischen Forderungen zugrunde liegen. Immer beabsichtigen sie einen gewaltsamen Eingriff in die persönliche Sphäre von Menschen, die in keinerlei negativer Interaktion zu ihren Mitmenschen stehen, sondern in Frieden mit anderen zusammenleben, bis die politischen Gauner Regulierungsbedarf sehen.

Die Beantwortung der Frage, wie man Kinder vor potenziellen Gefahren des Straßenverkehr schützt, führt in letzter Konsequenz zu einer völligen Abschaffung des Straßenverkehrs. Mit der Abschaffung von Messern und Gabeln, von heißen Herdplatten und offenem Feuer hat man dann auch die Frage beantwortet, wie man die imaginären Kinder vor diesen potenziellen Gefahren schützen kann.

Die vom Parlamentarismus konstruierten Rechtsillusionen sind stets auch Schutzillusionen, wie jetzt leicht nachvollzogen werden kann. Doch gleich wie die Wohlstandsillusionen, konstruiert man die Schutzillusionen auf Kosten und zu Lasten Unbeteiligter.

In unserem Zusammenhang ist es jedoch entscheidend, dass jede politische Bekundung von neuerlichem (weil selbst konstruierten) Handlungsbedarf auch alle diejenigen zur Wahlteilnahme nötigt, die durch ihre Wahlentscheidung bekunden wollen, dass sie die anstehende Regelung ablehnen.

Wer in einem Glücksspiel mit einer Chance von 1 zu 1 einmal gewinnt und einmal verliert, hat lediglich seine Zeit verplempert. Wer jedoch tausend Mal einen Einbrecher erfolgreich abwehrt, muss nur einmal im Abwehrkampf unterliegen und seine Wertsachen sind nicht nur gestohlen, sondern seine Wohnung ist auch noch verwüstet. In dieser Systematik erodiert jeder individuelle Freiraum im öffentlichen wie im privaten Bereich sukzessiv und im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig. Denn es ist im parlamentarischen System nahezu ausgeschlossen, eine einmal verabschiedete Maßnahme aufgrund der Kraft besserer Argumente wieder zu revidieren. Dafür gibt es mehrere Gründe:

Grundsätzlich fehlt Parlamentariern, dem Großteil der Bevölkerung und vor allem nahezu allen Journalisten das Verständnis für ökonomische Zusammenhänge, die über das Kassenwesen hinaus gehen. Dass zum Beispiel ein konkurrierendes Unternehmen, wenn überhaupt, nur kurzfristig ökonomische Profite erzielen kann, darüber hinaus stets an den Grenzkosten seine Preise kalkulieren muss, scheitert bereits bei der Differenzierung der Termini.

An der Revision von Gesetzen, welche den Großteil der Bevölkerung verärgern, hat das oppositionelle Lager, kommt es an die Macht, überhaupt kein Interesse. Im Gegenteil. Hat man davor lautstark opponiert, ist man anschließend froh, dass die anderen diese »Drecksarbeit« übernommen haben. Da zum Beispiel das Rentensystem einen gravierenden, tragischen Geburtsfehler hat, würde die entsprechende Wahrheit über diese Behinderung jede Partei existenziell bedrohen, wollte sie aus den Tatsachen auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen.

Daran zeigt sich der nächste Grund für die entsprechenden Beharrungstendenzen. Natürlich stellen Rentner oder Sozialhilfeempfänger nicht die Mehrheit der Wähler dar, doch eine diffuse Masse der restlichen Bevölkerung solidarisiert sich umgehend, erscheint ihnen eine Maßnahme als »ungerecht« bzw. »benachteiligend«. Folglich ist man sich unter allen Parteien, trotz gegenteiliger Bekundung, darin einig, dass das latent bankrotte System moderat (das heißt klammheimlich) in einen Geld vernichtenden Essensmarkenautomaten überführt werden muss. (Und selbstverständlich geschieht dies in enger Kooperation mit den Konzernen des Versicherungswesens.)

Klammheimlich vollzieht sich die Verabschiedung der meisten Gesetze nämlich immer dann, wenn die jeweilige Opposition keinen Nutzen aus einer öffentlichen Gegnerschaft ziehen kann. Dazu gehört alles, was sich nicht in einem kurzen und verständlichen Satz propagandistisch gegenteilig formulieren lässt.

Die meisten Gesetze ergeben sich sowieso aufgrund administrativer Zwänge. Das heißt: Auch ein moralisch integeres, intelligentes Wesen müsste so oder ähnlich verfahren, ist es ihm nicht erlaubt oder nicht möglich, den eigentlichen Grundsatz zu revidieren. Stinkt es in einer Gesellschaft, weil sich das gegenseitige Anscheißen zum eigenen Nachteil »kulturell« verankert hat, so bedarf es zweckmäßigerweise allerlei Regelungen, den Gestank und die entsprechenden Verschmutzungen zu vertuschen. Doch entsprechend oben angeführter sozialfaschistoider bzw. schutzillusionärer Matrix kann man über das Mittel der Dummenbefragung keine grundsätzliche Veränderung auch nur versuchen, will man sich als Partei nicht selbst liquidieren.

 

 Über die Beliebigkeit der Verfasstheit

Eine libertäre Partei, welche sich in den Wettbewerb der Gauner einreiht, um diesen letztendlich das Handwerk zu legen, muss zuvorderst die Zulassungsregeln der Machthaber anerkennen. Das erfordert ein Bekenntnis zur sogenannten »freiheitlich demokratischen Grundordnung«. Diese ist jedoch bereits ein Verstoß gegen widerspruchsfreie moralische Prinzipien. Denn die geltenden Verfassungen, in Deutschland das Grundgesetz, relativieren nahezu sämtliche Grundrechte, in dem sie sie unter Gesetzesvorbehalt, sprich: die Willkür der Parteien, stellen.

Auch der nicht unter Gesetzesvorbehalt stehende Artikel, welcher die Menschenwürde als unantastbar bezeichnet, ist bei aller Jahrhunderte währenden rechtsphilosophischen Diskussion genau das, was man vom etatistischen Recht und seinen Interpreten eigentlich erwarten müsste: eine Relativierung.

Laut Bundesverfassungsgericht ist damit jener Wert- und Achtungsanspruch gemeint, der dem Menschen kraft seines Menschseins zukommt, unabhängig von seinen Eigenschaften, seinem körperlichen oder geistigen Zustand, seinen Leistungen oder seinem sozialen Status.

Was dem Staat als »oberster Grundwert und Wurzel aller Grundrechte« dienen soll, ist aber – unabhängig aller semantischen Spitzfindigkeiten – ohne jegliche Referenz zur konkreten Person, seiner Lebenswelt und insbesondere zum Wesen des Staates, der mithilfe parlamentarischer Verfahren und exekutiver Selbstherrlichkeit die Menschen durch Gewaltandrohung zwingt, sich anders zu verhalten, als sie sich aus freiem Antrieb verhalten würden.

Was soll man also vom Urteil des Bundesverfassungsgerichtes halten, das da anlässlich des Luftsicherheitsgesetzes 2006 bekräftigte, der Mensch wäre nach der Wertordnung des Grundgesetzes ein Wesen, das »in Freiheit über sich selbst bestimmt«?

Im Hinblick auf die vom selben Gericht ausdrücklich und wiederholt als legitim bestätigte faktische sonstige Gesetzeslage kann der Mensch im Zweifel eben gerade noch in Freiheit über sich selbst bestimmen, entscheidet er sich in der Zelle, ob er auf und ab geht oder sich auf das brillenlose Toilettenbecken setzt. Vorausgesetzt, man hat ihn nicht zum Zwecke der Zwangsernährung arretiert.

Nein, das ist keine Polemik. Wer als Unternehmer bereits einmal wegen angeblicher Steuerhinterziehung in Handschellen abgeführt wurde, wird wissen, was beschrieben wurde. Nun werden bestimmte Kritiker derartige Fälle als seltene Ereignisse abtun. Richtig! Die überwiegende Mehrheit der Unternehmer (ich auch) fühlt sich durch die Gesetze und entsprechenden Strafandrohungen bereits genötigt, genau diesen Teil ihres Einkommens an Steuern und Zwangsabgaben abzuführen, den der Gesetzgeber fordert.

In Freiheit über sich selbst zu bestimmen, bedeutet also in der faktischen Lebenswelt der Menschen, dass das Parlament entscheidet, wie viel der gerechtfertigt erworbenen Mittel einem bleiben. Innerhalb der sogenannten freiheitlich-demokratischen Grundordnung wird auch autoritär entschieden, dass man zwangsweise allerlei Versicherungen, Kammerbeiträge, Ausgleichsabgaben, Testatsgebühren und nicht zuletzt das Staatsfernsehen zu bezahlen hätte. Mit dem Rest des verbleibenden Geldes ist die Freiheit und Selbstbestimmung dann grenzenlos, vorausgesetzt, man raucht nicht, füttert regelmäßig die Parkautomaten, bekommt keine Kinder und wird wegen eines fehlenden Halbsatzes im Impressum der eigenen Internetseite nicht von der Konkurrenz »rechtsstaatlich« abgemahnt, sprich: wieder genötigt.

Fassen wir zusammen:

1. In Freiheit über sich selbst zu bestimmen bedeutet in diesem Staat, in erster Linie nach Gutdünken zur Gewalt aufrufen zu dürfen. Denn jede Forderung nach Steuererhöhung, nach Pflichtabgaben, nach Kontrollen usw. ist ein Aufruf zur Gewaltandrohung durch Gesetz bzw. die Ermächtigung für die Exekutive, entsprechende Drohungen umzusetzen.

2. Geheim, eine gültige Stimme bei einer parlamentarischen Wahl abzugeben, bedeutet, das Verfahren zu legitimieren, dass eine Mehrheit auch über diejenigen entscheiden darf, die sich diesem demokratischen Prinzip nicht freiwillig unterworfen haben. Durch die Teilnahme am Wahlakt gibt man eine konkludente Willenserklärung ab, mit der die vom Staat latent bereitgestellten menschenverachtenden Angebote pauschal angenommen werden.

3. Das Parlament anzuerkennen bedeutet, ein System zu befürworten, welches seine Entscheidungen nach faschistoiden Maßstäben trifft und eben an keine Weisungen der Bürger, noch nicht einmal an einen Mehrheitsentscheid dieser, gebunden ist.

4. Jede erfolgreiche Parteienzulassung ist – unabhängig des Willens der Gründungsmitglieder – eine formale Anerkennung dieser sogenannten freiheitlich-demokratischen Grundordnung, welche bereits den kategorialen Würdeanspruch in Art und Maß des entsprechenden Schutzes bis zur Unkenntlichkeit differenziert hat. Wer glaubt, man könne eine formale Anerkennung einer moralisch ungerechtfertigten Grundordnung vorheucheln, bildet eine Art Undercover-Partei. Eine Clique derart formierter Verschwörer muss sich nun entscheiden.

a) Sie hält die Verschwörung aufrecht und richtet sich im Wahlkampf nach der üblichen sozialfaschistoiden bzw. rechtsillusorischen Matrix aus. Dann hat sie sich in den Wettbewerb der Gauner eingereiht und hat die Chance, sich unter falschen Vorzeichen zur sogenannten Volkspartei emporzumogeln.

b) Sie deckt die Verschwörung nach ihrer Zulassung auf und propagiert die Widersprüche dieses Systems und seine moralisch verwerflichen Grundlagen. Dann steht sie im Widerspruch zu den Prinzipien, nach welchen die Volksmassen ihre Wahl treffen. Sie kommt damit einem Waschmittelproduzenten gleich, der im Marketing betont, dass die wirklich selbstständige Frau sich weder um Waschmittel noch um den Haushalt kümmert, sondern dafür ihr Personal hat.

Entscheiden sich die Parteigründer für die Alternative b), haben sie propagandistisch gegen die Macht vielfältiger, durchaus schlechter, ja verabscheuungswürdiger Ideen anzukämpfen. Ferner läuft die Partei ständig Gefahr, genau auf die Spielwiesen gezogen zu werden, auf denen die restlichen Gauner bereits einen Heimvorteil haben. Es geht dann nämlich nicht mehr um ungerechtfertigtes Handeln, sondern um Lesben, Schwule, Kopftücher, Frauenärsche und Nichtraucherschutz in der Badewanne. Auf diesen Gebieten blähen sich die Würdelosen mit ihren Menschenrechten dann so richtig auf, beherrschen die Gazetten und die Republik erschüttert vor irgend einer Banalität in ihren Grundfesten. Das lenkt alles trefflich davon ab, dass zur gleichen Zeit die Steuer- und Steuerstrafbescheide verschickt werden, dass die Finanzämter die Konten pfänden, die Staatsanwälte faktische Aussageerpressungen vornehmen, die Armee Krieg führt, das Geld sich entwertet und ganz nebenbei der Rest der »verfassungsmäßigen Rechte« weiter relativiert wird.

Bleibt also nur noch Option a). Eine Partei benötigt Mitglieder, sie benötigt Spenden, um Fachkräfte und Spin-Doctores zu bezahlen, sie muss im Falschen besser sein als die anderen bereits etablierten Parteien. Vor Leuten, die derartige Analysen wie ich schreiben, hat sich eine Partei der Option a) zu distanzieren. Scheiß drauf!

Nehmen wir an, eine solche Partei schaffte es ins Parlament. Verweigert sie nun eine mögliche Regierungsbeteiligung, weil sie weder der neoliberale Schwanz eines räudigen Hundes sein will noch für Gesetze stimmen will, welche eindeutig die Herrschaft zementieren, statt schwächen würden, dann hätten dieser Parteivorsitzende und seine paar ebenfalls verschworenen Gründungsmitglieder ein Erweckungserlebnis. (So ging es wohl auch dem ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush, als er zum ersten Mal nüchtern wurde.) Denn die übrigen Fraktionskollegen wissen ja nichts von der Verschwörung. Die Geldgeber ebenfalls nicht. Folglich kommt der Fraktionschef flankiert vom großen Vorsitzenden der (verschwörerisch libertären) Partei in den Sitzungssaal der Fraktion und meint: »Also Kinder, Genossen und Freunde, wir tanzen eigentlich auf einer ganz anderen Hochzeit. Wir betrachten bereits das Mehrheitsdiktat im demokratischen Prozess als ungerechtfertige Aggression. Wir sind für die Auflösung des Staates. Wir sind davon überzeugt, dass jeder Mensch über sich und sein Leben selbst bestimmen können muss, solange er dabei die Person oder das Eigentum Dritter nicht verletzt. Wir betrachten das gesamte Sozialgesetzbuch als asoziales Machwerk ...«

Spätestens dann, bekommt dieser Parteivorsitzende eine kräftige Hand auf die Schulter gelegt, man führt ihn ab und erklärt ihn für geistig unzurechnungsfähig.

Nun gut, soweit wird es nicht kommen. Wer als Anführer einer angeblich libertären Partei die hier aufgezeigte Systematik nicht nachvollziehen kann, ist auch nicht fähig, seine Parkscheibe auf die falsche Uhrzeit zu stellen, geschweige denn, eine Verschwörung aufzubauen. Kann er es jedoch erkennen und schürt weiter die Hoffnung, über den Weg durch das Parlament die sozialfaschistoide Matrix über Aufklärung und Bewusstmachung außer Kraft zu setzen, dann ist er nichts weiter als ein Lump, der so wie alle Politiker seine Anhänger lediglich benutzt, um auf ihre Kosten eine fragwürdige Karriere zu machen.

 

Anarchismus ist eine Philosophie und keine politische Bewegung

Wenn die Plebs der Auffassung sind, einem Führer folgen zu wollen, dann werden sie sich nicht durch ein philosophisches Traktat davon abhalten lassen. Sind sie der Auffassung, dass es gerecht wäre, sich ständig in die Taschen zu lügen und gegenseitig zu nötigen, dann haben wir diese Meinung zu respektieren. Denn ein Großteil des Volkes (inklusive vieler Unternehmer, vieler Reichen, mancher Künstler) würden sich freiwillig genau dieser Herrschaftsform unterordnen, wie sie jetzt besteht. Damit ist das Kriterium, das Anarchisten fordern, für diese Leute erfüllt. Es ist nach unseren Grundsätzen ungerechtfertigt, einen Systemtrottel (ob Brückenpenner oder Wirtschaftsprofessor) über Wahlen und andere Mehrheitsdiktate zu zwingen, in einer Gesellschaft leben zu müssen, in der man frei und jederzeit über sich selbst – und nur über sich selbst bestimmen kann.

Dieser Staat wird, ziehen die Verbrecher in den USA die Welt nicht in einen atomaren Krieg hinein, den Weg in eine sozialfaschistoide, ökofaschistoide Diktatur gehen. Dieser Weg ist vorgezeichnet, weil ökonomisch den Machthabern gegen Ende nichts anderes übrig bleibt als Zwangsarbeit. Auch der einleitend zitierte Wladimir Bukowski sieht die gesamte EU auf dem Weg in einen neuen Sowjetstaat. Trotzdem kann es nicht darum gehen, Deutschland zu »befreien«.

Die derzeit zu beobachtenden Protestbewegungen sprechen sich gegen die Politik aus. Doch sowohl rote, wie grüne, wie braune wollen mehr Staat, mehr Herrschaft, mehr Politik. Nur sollte es die »richtige« sein. »Richtig« ist in den Augen aller Politikinteressierten stets die Politik, die sie selbst präferieren. Der eine Schwachkopf will die Banken enteignen, der andere Schwachkopf eine Reichensteuer, dem Dritten schwebt vor, sämtliche Kinder zu kasernieren, um ihnen ein öko-soziales Bewusstsein überzustülpen, dann gibt es noch diejenigen, welche die Raucher in die Illegalität treiben wollen, und diejenigen, die überall mitlaufen, weil sie glauben, es gäbe irgendwo auf dieser Welt ein Mittagessen umsonst.

Wir Anarchisten brauchen deshalb nur eine einzige Gesetzesänderung, die logischerweise dem Parlament abzuringen ist. Es genügt ein einziger Paragraph: Sezessionsrecht für Gemeinden, Landkreise und Bundesländer.

Da ich in meinem Leben nie zum Herrn Bundespräsidenten eingeladen werde (ich müsste unweigerlich auf den Teppich kotzen), Parteifuzzis jeder Färbung aber schon, sagt das bitte diesem Typen persönlich.

Vielen Dank!

 


1.) Vladimir Bukovsky, To Build a Castle – My Life as a Dissenter, (New York: Viking Press, 1977), pp. 33, 277.

2.) Josef Schumpeter: »Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie«, Tübingen 1950, S. 231 ff.

 
Erstellt am 21.02.2013, zuletzt aktualisiert 28.01.2019; Alle Rechte vorbehalten.  
 

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